Handarbeit

FLINKE FINGER – FLINKE GEDANKEN

Handarbeitsunterricht für die Klassen 1 – 12

Im Rahmen des pädagogischen Programms unserer Waldorfschule ist es üblich, dass alle Schüler Jungen und Mädchen von den Klassen 1 bis 12 Handarbeitsunterricht erhalten. Unser Anliegen ist es sowohl die kognitiven wie auch die künstlerisch/handwerklichen Fähigkeiten der Schüler zu fördern, um eine ganzheitliche Entwicklung möglich zu machen. Im Handarbeitsunterricht werden im Umgang mit weichen Materialien, Farb-und Formempfinden, Sinnespflege und Willensbildung angestrebt. Grundsätzlich sollen Gegenstände des täglichen Gebrauchs entstehen, die Arbeiten sollen Sinn machen. Der Handarbeitsunterricht wird wöchentlich in einer Doppelstunde erteilt.

 

1.Schuljahr

Am Anfang dieses Jahres stehen zunächst alle Tätigkeiten im Vordergrund, die die Geschmeidigkeit der Finger fördern. Hierzu gehören Fingerspiele und Sprüchlein, Wolle zupfen, Fädchen drehen, Wolltierchen - und püppchen wickeln. Ist dann ein gewisser Grad an Geschmeidigkeit und Beweglichkeit erreicht, lernen die Kinder die erste Kulturtechnik, das Stricken, anhand kleiner Dinge wie Zwergchen, Püppchen oder Brusttäschchen etc. kennen. Als größere Arbeit folgt dann eventuell ein Flötenbeutel oder Schal. Mit dem Stricken kommen die Kinder in eine rhythmische Tätigkeit. Als Nebenarbeit lernen die Kinder schon im ersten Schuljahr die Kulturtechnik Filzen mit kleinen Arbeiten kennen, was in den kommenden Jahren fortgeführt wird.

 

2. Schuljahr

Im zweiten Schuljahr wird der rhythmische Vorgang des Strickens unterbrochen und die Kinder lernen die zweite Kulturtechnik, das Häkeln. Auch hier beginnt der Unterricht zunächst ohne Werkzeug. Die Kinder erlernen die Herstellung von Luftmaschen mit den Fingern, es entstehen Pferdegeschirre oder Springseile. Dann erst kommt die Häkelnadel zum Einsatz. Topflappen, Taschen, Flaschenhüllen oder Tiere werden gehäkelt. Das Häkeln befähigt die Kinder die Polaritäten luftig und fest, rechts und links zu unterscheiden und richtig zu benutzen. Kleine künstlerische Nebenarbeiten wie Filzen, Malen und jahreszeitliche Bastelarbeiten werden angeboten.

 

3.Schuljahr

Im dritten Schuljahr wird das Stricken wieder aufgenommen und weiter geführt. Es entstehen kleine Fingerpuppen- und tiere zum Einstieg, dann werden Mützen gestrickt, teils auf Rundstricknadeln. Hierfür malen die Kinder einen Entwurf, den sie dann in die Praxis umsetzen dürfen. Farbgebungen werden mit den Kindern beraten. Auch das Thema oben und unten in der Farbgebung wird spielerisch erörtert und im Entwurf berücksichtigt. Schön ist es auch in diesem Rubikonjahr für die Kinder eine Puppe zu stricken, ein Gegenüber, mit dem sie sich auseinandersetzen können.

 

4.Schuljahr

Im 4. Schuljahr haben die Kinder den Rubikon weitgehend abgeschlossen, können sich der Welt gegenüberstellen und sich auch abschließen, was seinen Ausdruck in der E-Gebärde findet. Diese E-Gebärde finden wir im Kreuz. Zur Unterstützung dieser Entwicklungsphase sticken die Kinder Kreuzstichtaschen. Hierfür malen sie einen Entwurf, in dem sie ein symmetrisch gespiegeltes Muster entwerfen und dabei farblich genau oben und unten, rechts und links unterscheiden lernen. Beim Kreuzstich selbst sollte jedes Kreuz vollständig vollzogen werden. Jedes Jahr entstehen wunderschöne Taschen, die bei den Kindern sehr beliebt sind.

 

5. Schuljahr

In diesem Schuljahr wird erneut das Stricken aufgenommen und erweitert. Thema ist das Stricken mit fünf Nadeln, das Form- bzw. Rundstricken. Es entstehen Socken und Handschuhe. Mit den Socken wird bildlich aufgenommen, dass die Kinder langsam vollständig auf der Erde ankommen und somit ein Beitrag zur Entwicklung geleistet. Nach den Socken gestalten die Kinder oft mit kleinen Batikarbeiten ein Stückchen Stoff, aus dem sie ihre Werkzeugtasche von Hand nähen.

 

6. Schuljahr

Ab diesem Schuljahr steht das Nähen mit der Hand im Vordergrund. Die Schüler sind nun entwicklungsmäßig stark mit ihrem Längenwachstum und der Erbauung ihrer Individualität im Inneren beschäftigt, stehen somit in einem Spannungsfeld von Innen und Außen. Als Thema im Handarbeitsunterricht ,das dieser Entwicklung entgegenkommen möchte, haben wir Tiere und Puppen. Die Tiere werden nach einem selbst erarbeiteten Schnittmuster genäht und eventuell bemalt. Das Thema Innen und Außen findet seinen Niederschlag dann im Umstülpen und Ausstopfen des Tieres. 

Es können auch Marionetten genäht werden, mit denen ein kleines Stück einstudiert und vorgeführt werden kann.

 

7. Schuljahr

Im 7. Jahr nähen die Schüler Hausschuhe oder Eurythmieschuhe nach einem selbst erarbeiteten Schnitt nach dem eigenen individuellen Fußmaß. Die künstlerische Gestaltung des Oberschuhs wird mit den Schülern erarbeitet und besprochen. Die Schüler selbst entwerfen die Farb- und Formgestalt. Am Anfang der Pubertät noch einmal den Kontakt zur Erde herstellen ist die Intension. Am Ende des 7. Schuljahrs hält die Nähmaschine ihren Einzug. Es entstehen kleine erste Arbeiten in Form von Patchworktaschen und - kissen.

 

8. Schuljahr

Am Ende der Mittelstufe steht die Nähmaschinentechnik und die Auseinandersetzung mit Gegenständen der "dritten Haut" im Vordergrund. Die Schüler lernen den Umgang mit der elektrischen Nähmaschine und die Genauigkeit im Arbeiten damit kennen. Geübt wird der Umgang mit größeren Stoffmengen und die künstlerische Gestaltung von Bettwäschegarnituren oder großen Bettüberwürfen und Sitzkissen in Patchworktechnik. Dabei werden Farbqualitäten und Mustergestaltung erprobt. Techniken wie Batik, Stoffmalerei, Stoffdruck und Patchwork können von den Schülern frei gewählt werden.

 

9. Schuljahr

Ab dem 9. Schuljahr findet der Handarbeitsunterricht in sechswöchigen Epochen mit je drei Doppelstunden innerhalb des Werkepochenplanes statt.

Die Arbeit an der Nähmaschine wird in der Schneiderepoche fortgeführt. Thema in diesem Jahrgang ist die individuelle Bekleidung. Die Schüler lernen Schnittkonstruktionen kennen und diese umsetzen in einem frei gewählten Kleidungsstück. 

Genäht wird, was man tatsächlich gebrauchen kann. So entstehen Hosen , Jacken, Blusen, Sweatshirts und Kleider je nach Gusto des Schülers. Verschiedene Nahtvarianten, Knopflöcher, Reißverschlüsse, Kragen und Taschen werden gearbeitet. Genauigkeit im Nähen spielt ein große Rolle.

 

10. Schuljahr

Mit der Werkepoche Weben der 10. Klasse erfahren die Schüler durch ihre Arbeit am Lendenwebstuhl eine erstes Etappe Menschheitsentwicklung am Arbeitsgerät Webstuhl. Die Schüler lernen den Aufbau eines Stück Stoffes kennen und gestalten Muster- und Farbstellung des Stoffes mit Hilfe eines Scherbriefes nach eigenen Vorstellungen und technischen Vorgaben. Gewebt wird nach dem Kettescheren auf dem Lendenwebstuhl, einem prähistorischen Webstuhl. Der künstlerische Gestaltungsprozess steht im Vordergrund der Bemühungen neben Genauigkeit in der Technik des Webens.

 

11. Schuljahr

In der Webepoche in der 11. Klasse wird die nächste Etappe der Menschheitsentwicklung am Arbeitsgerät Webstuhl bis zur heutigen Zeit vollzogen. Die Schüler arbeiten an vierschäftigen Flachwebstühlen in einem Zweierteam.  Gemeinsammüssen sie sich über die Werkstücke einigen, da sie zu zweit an einem Webstuhl mit einer von ihnen ausgewählten und aufgebrachten Kette arbeiten müssen. Hierbei entstehen Teppiche, Handtücher, Stoffe für Bekleidung etc.. Hauptaugenmerk liegt auf der Teamarbeit und der Entwicklung der technischen Fähigkeiten. Die Schüler, die dann nicht weben können während der Partner webt, haben die Möglichkeit das Filzen in einer anspruchsvollen Form neu aufzugreifen und zu einer gewissen Perfektion zu treiben. Es entstehen Taschen, Hüte, Pantoffeln und Ähnliches.

 

12.Schuljahr

Der Abschluss in Textilem Gestalten findet in einer Kostümschneiderepoche statt. In dieser Epoche können alle textilen Techniken, die jemals gelernt wurden, zum Einsatz gebracht werden. Thema ist der Entwurf, die Gestaltung und die Herstellung der Kostüme für das Zwölftklassspiel. Dabei spielen Stilrichtungen der vergangenen Epochen eine große Rolle. Im Kostüm sollte der Charakter der zu spielenden Person förderlich unterstrichen werden, was eine intensive Auseinandersetzung mit der Rolle unabdingbar macht. Die Bühnenwirksamkeit eines Kostüms muss bedacht und mit eingeplant werden.

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